Anika huscht ein Strahlen über das Gesicht, als sie das blaue Shirt von Daria Kägler wahrnimmt. Mit schnellen Schritten hat diese den Schulhof überquert und begrüßt Anika. Sofort sind die beiden in einem vertrauten Gespräch über Schule, Familie und schmieden Pläne über einen Konzertbesuch.
Es ist einer der regelmäßigen Schulbesuche, den die Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin Daria Kägler für den Kinderpflegedienst Lübeck in der Schule auf dem Tourenplan hat. Die 15-jährige Anika ist seit Kindesbeinen an den Rollstuhl gebunden. Ihre Querschnittslähmung macht die Hilfe des Pflegedienstes regelmäßig nötig, um die Teilnahme am Nachmittagsunterricht zu ermöglichen.
Lange Zeit hat Anikas Mutter die Aufgaben übernommen. Die Abstimmung mit dem beruflichen Alltag macht das aber immer problematischer. Einen Pflegedienst zu finden, der die Versorgung von Anika übernimmt, schien fast unmöglich. Die Folge wäre gewesen, dass Anika nachmittags nicht hätte in der Schule bleiben können.
Nachdenklich berichtet sie: „Gefühlt haben wir tausend Pflegedienste in ganz Deutschland angefragt.“ Entsprechend ist sie froh und dankbar, dass der neue Pflegedienst für sie da sein kann. Die Versorgung von Kindern, gerade mit relativ kurzen Einsätzen wie bei Anika abzudecken, ist generell problematisch. Mit den jungen Patienten tun sich viele Pflegedienste schwer. Oftmals beginnt es schon mit der gesetzlich geforderten Pflegeberatung, dass Familien keine Unterstützung finden. Der Bedarf ist hoch. Das erfährt Steffi Kalfac, die Pflegedienstleitung des Kinderpflegedienstes, täglich: „Auch wir sind in der Situation, dass wir aus Personalgründen bei weitem noch nicht alle Anfragen auch bedienen können.“ Da hofft Steffi Kalfac auf weiteren Zulauf. Der Ansatz Kinder und Jugendliche ambulant zu versorgen, ist recht neu. Der Kinderpflegedienst Lübeck ist der erste Pflegedienst dieser Art in Norddeutschland.
Nach gut 30 Minuten ist die Aufgabe von Daria Kägler erledigt. Die beiden nehmen herzlich Abschied. „Am Anfang war das schon etwas komisch“, gesteht Anika, „plötzlich war Mutti nicht mehr da.“ Sie weiß aber auch die Freiheiten zu schätzen, die ihr der Pflegedienst bringt. Und gerade mit Daria Kägler versteht sie sich gut: „Ich freue mich immer, wenn sie kommt. Sie ist fast schon wie eine zweite Mutter für mich geworden“, strahlt sie. Ihre Erfahrungen mit dem Pflegedienst sind gut und es werden schon Pläne geschmiedet, wie die Unterstützung Anikas Freiheiten erweitern und auch ihren Eltern etwas Freiraum verschaffen kann.
Entsprechend reden beide auch ganz offen über Anikas typischen Teenager-Alltag. „Mathe und Deutsch sind eher uncool – Sport, Kunst und Musik sind klasse“. Überhaupt spielt Musik im Alltag von Anika eine große Rolle. In der Schule hatte sie auch schon begonnen, Saxophon zu spielen. So ist es auch nicht verwunderlich, dass es bereits „konspirative“ Pläne für einen „Mädels“-Abend von Anika, ihrer Familie und der Pflegedienst-Mitarbeiterin gibt. Das soll dann ein Konzert-Abend sein. Die Buchung der Tickets nimmt gerade viel Vorfreude in den Gesprächen beim Pflegeeinsatz ein.